- Brigitte_Lilli_Sperling

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Brigitte Ende August 2020 in Felsberg, ihrer Heimatstadt,
auf der Brücke über der Eder.  

 
 
 
 

Abschied und Erinnerung von Richard Vahrenkamp


Mein Herz, Du hast aufgehört zu schlagen für Dich und für uns beide. Und Du hast mich in die tiefste Trauer gestürzt. Kennengelernt hatten wir uns in der Markthalle Kassel, wo wir beide gerne die Spinat Pizza bestellt hatten. Zu meiner Verblüffung hast Du Dich mir umfassend vorgestellt als Künstlerin und Sängerin. Diese beiden Schwerpunkte prägten Dein zukünftiges künstlerisches Leben in der Kunst, für die Kunst und durch die Kunst. Auf Deinem Grabstein steht Brigitte Lilli Sperling – Künstlerin. Als ich zu Dir in die Esmarchstrasse gezogen war, hatten wir uns vorgenommen, die riesigen, düsteren Tannen im Garten zu fällen und mehr Licht an das Haus zu lassen. Wir hatten nahe der Esmarchstraße im Schlösschen Parkschönfeld 2006 geheiratet. Julian war unser Trauzeuge. Die Karlsaue war Deine bevorzugte Gegend, an den Barock-Anlagen der Kanäle spazieren zu gehen. Begeistern konnte Dich die Idee der barocken Baumeister, den Aushub aus dem See für die Insel Siebenbergen aufzuschütten. Seitdem gehörten See und Berg für Dich zusammen. Gerne erinnere ich mich an den Winter, als der See zugefroren war und die Insel mit dem Tempelchen für uns erreichbar war, wir alberten auf dem Eis herum.

Freude bereitete Dir, zu Ausflügen an die Eder und an die Diemel aufzubrechen. Dort unternehmen wir sogar Bootsfahrten mit dem Kanu. Ich ganz vorsichtig mit der Schwimmweste. In dem Künstlercafé von Hofeditz in Sielen haben wir gerne Rast gemacht, nachdem wir die Kalkmagerwiesen der Diemelhänge abgelaufen hatten. Als wir in Deinem letzten Sommer Kassel besucht hatten und Du auch Deinen Geburtsort Felsberg und wir gemeinsam das Grab Deiner Eltern gepflegt hatten, habe ich noch eine Ausflugsfahrt an die Trendelburg, nach Sielen an der Diemel und die Sababurg unternommen. Wie Du auf der Brücke über der Eder nahe Deinem Elternhaus in Felsberg stehst und in das Edertal blickst – dieses Foto steht auf meinem Schreibtisch.

Berlin war unser großes gemeinsames Projekt, wir wollten aus dem kleinen Kassel in das große Berlin übersiedeln. Im März 2007 brachen wir gemeinsam zu einem Besuch von Berlin auf. Dort reifte der Entschluss zur Übersiedlung. Ich hatte eine Tagung, und Du besuchtest das Haus am Waldsee und das Kolbe-Museum. Diese beiden Orte wurden dann unsere bevorzugten. Noch in Deinem letzten Sommer hatten wir gemeinsam auf dem Abhang gesessen, der zum Waldsee führt und den Wasserspielen des Künstlers Markus Jeschaunig zugesehen.

Zum Glück hatten wir eine sehr schöne Wohnung in Charlottenburg gefunden, und nach den Anstrengungen der Renovierung sind wir im Oktober 2007 dann auf die kleine griechische Insel Patmos gefahren. Patmos wurde zu Deiner Lieblingsinsel, klein, kompakt und wir konnten die Insel gut mit Exkursionen erkunden. Patmos war schwer zu erreichen, das war für Dich wichtig. Man musste ein Schiff von Athen nehmen. Zuletzt waren wir im Frühjahr 2017 gemeinsam auf Patmos und waren morgens auf der Rückfahrt mit dem Nachtschiff um 7 Uhr in Athen gelandet, wo wir erschöpft in die U-Bahn zum Flughafen gesunken sind.

Auch wurde der Dars zu einem Deiner Lieblings–Orte, wo wir ein kleines Häuschen bei Reingard und Volker im Sommer mieten konnten. Begeistert hast Du an der Steilküste von Ahrenshoop Treibgut gesammelt, aber den Kunst-Rummel in Ahrenshoop hast Du abgelehnt.

Von deiner Künstlerfreundin Annette Polzer hattest Du den Tipp, an der ligurischen Küste den Ort Noli zu besuchen. Wir konnten Ligurien bequem über den Flughafen Nizza erreichen, und Noli mit seinen meterdicken Stadtmauern und aufragenden Geschlechtertürmen, welche die Bucht mit dem Strand umschlossen, wurde einer unserer Lieblingsorte. Von Albenga aus – das Du wegen seiner vielen Geschlechtertürme als Klein–Manhattan von Ligurien bezeichnet hast – wanderten wir gerne den Höhenweg in Richtung Alassio mit dem Blick auf das Meer und vorbei an den 2000 Jahren alten Nekropolen der Römer. Im Herbst konnten wir reife Trauben naschen. Mit Annette Polzer hast Du Dein erstes großes Projekt in Berlin gemacht, den Roten Raum an der Comenius–Schule 2009.

Was kaum jemand für möglich hielt, hast Du erreicht, Dir nämlich ein kleines Atelier in Wilmersdorf in der Trautenaustraße angemietet. Diese vier Jahre in Deinem Atelier waren Deine und meine glücklichsten Jahre. Dein Atelier hattest Du mit Musik und Vorträgen für die geladenen Gästen eröffnet. Nicht nur Deine Krankheit, sondern auch der Vermieter hatte dann diese Jahre Deines Künstler-Lebens beendet. Dein Atelier aufzulösen mit dem Deinem riesigen Arbeitstisch und dessen von Deiner Arbeit mit Ritzen und Farbresten markierten Tischplatte, gehörte zu den bittersten Erfahrungen, die ich machen musste.

In den letzten Monaten Deines Lebens lernten wir Michou und Gerhard kennen, wo Du Trost fandest in der Klangtherapie und Michou Dich kongenial am Klavier begleitet hatte. Du hattest Deine Lieblingslieder gesungen, die Lieder aus der Renaissance.

Die letzten Tage Deines Lebens im Universitätsklinikum Leipzig waren die Hölle für Dich. Du lagst isoliert in einem kahlen Raum ohne Ansprache, ohne Blumen. Wegen Corona durfte ich nur eine Stunde pro Tag Dich besuchen, ich pendelte täglich von Berlin nach Leipzig. Ich konnte erreichen, Dich nach Hause zu verlegen, wo Du in den Armen Deiner Lieben sanft entschlafen konntest.

 
 
 
 
 

Die Trauerfeier auf dem Dorotheenstädter Friedhof
am 5. Oktober 2020.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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